
Wer ich bin und warum ich das tue
Hallo, ich bin Johanna, und ich bin hier, um mit Dir über Borderline zu sprechen – und zwar anders, als Du es vielleicht gewohnt bist.
Aber bevor wir dazu kommen, ein bisschen über mich.
Weißt Du, wofür ich morgens aufstehe?
Zuerst? Cappuccino. Ich liebe Cappuccino. Egal, ob ich fröhlich, traurig oder angespannt bin – meine Antwort ist immer: „Jetzt erstmal Cappuccino.“
Und dann? Für Bücher. Nach meiner Matura habe ich eine Lehre im Buchhandel gemacht, weil ich finde: Bücher sind wie kleine Wundermedizin. Sie bringen traurige Menschen zum Lächeln, Übermotivierte zum Durchatmen und Sehnsüchtige zum Träumen.
Doch der Hauptgrund, warum ich morgens aufstehe?
Das sind die Menschen. Menschen mit Borderline – und ihre Angehörigen.
Wenn ich höre: „Borderliner sind hoffnungslos,“ oder „Trenn dich, bevor sie dich zerstören,“ oder „Meine Tochter ritzt sich, wir glauben nicht mehr an Besserung,“ dann werde ich leidenschaftlich.
Ich stehe dafür, dass trotz dieser schweren Erkrankung alles möglich ist – inklusive liebevoller, erfüllender Beziehungen. Eltern, Geschwister, Freund*innen, Partner*innen – alle können einen Weg finden, der für beide Seiten funktioniert.
Und ja, das ist Arbeit. Es braucht Mut – auf beiden Seiten. Nicht nur die Betroffenen dürfen hinsehen, auch Angehörige werden manchmal auf schwierige Themen hinsehen müssen. Aber wenn das passiert, können nicht nur die Beziehungen, sondern auch die Menschen selbst wachsen – zu etwas ganz Wundervollem.
Das ist der Moment, in dem ich weiß: Dafür hat sich das Aufstehen gelohnt.
Und warum jetzt die Angehörigen?
Mit 30 Jahren lebte ich in Portugal – klingt traumhaft, oder? Tagsüber arbeitete ich in einem Surfshop und nebenbei freiberuflich im Marketing. Abends übernahm ich die Nachtschicht in einem Hostel, um dort kostenlos wohnen zu können. Zwischen zwei Surf-Sessions und dem Hostel-Chaos schien das Leben ziemlich cool zu sein.
Doch ehrlich gesagt, fühlte ich mich oft wie ein Puzzle mit fehlenden Teilen. Ich suchte nach Sinn, nach Stabilität. Die Borderline-Symptome machten die Sache nicht gerade einfacher.
Und dann kam Ruben.
Eines Tages, beim Surfen, lernte ich Ruben kennen – einen niederländischen Surfer mit der Coolness eines Filmhelden. Ich fragte ihn: „Ruben, was soll ich bloß mit meinem Leben anfangen?“ Ohne groß nachzudenken, empfahl er mir den 30-Fragen-Katalog „Finding Your True North“ der Harvard University.
Natürlich war ich sofort dabei! Am selben Abend setzte ich mich hin und hackte motiviert alle Fragen durch. Ergebnis? Absolute Ernüchterung. Ich hatte immer noch keinen Plan, was ich mit meinem Leben anfangen sollte.
Aber, und das ist wichtig: Eine dieser Fragen ließ mich nicht los. Sie lautete: „Wenn du einer Person oder Personengruppe helfen könntest, wer wäre es?“
Plötzlich war da ein Bild vor meinen Augen.
Ich sah mich selbst – als 15-jährige. Weinend, alleine in meinem Zimmer, fühlte ich mich damals falsch und unzumutbar. Niemand verstand mich, nicht mal ich selbst. Mein Vater hatte sich kurz zuvor das Leben genommen, und ich war in eine Spirale aus Selbsthass, Wut und Verzweiflung gestürzt.
Mit 17 war mein Leben eine Achterbahn aus Hochspannung, Depression und selbstverletzendem Verhalten. Irgendwann wurde mir klar: Wenn ich das Leben irgendwie noch hinbekommen wollte, gab es keine Alternative. Ich brauchte Hilfe – eine stationäre Therapie.
Mein magischer Moment mit 19.
Nach meiner ersten Therapie kam der Durchbruch nicht über Nacht. Ich fand mich schnell wieder in alten Mustern, denn was über Jahre tief verwurzelt wurde, braucht oft genauso lange – oder länger – um sich wirklich zu lösen. Veränderung ist kein Sprint, sondern ein Marathon, bei dem jeder kleine Schritt zählt.
Doch dann, inmitten dieses Chaos, trat Daniel in mein Leben. Daniel war der Mensch, der mein Herz und meine Seele umarmte – mit seinen Augen, seinem Lächeln und vor allem seiner unerschütterlichen Geduld.
Ich war damals voller Scham, Selbsthass und Misstrauen. Ich testete Daniel, stieß ihn weg, zog ihn her, beschimpfte ihn. Aber Daniel? Er blieb.
Er sagte einmal zu mir: „Johanna, verstehst du das nicht? Du kannst mich nicht vertreiben. Ich bleibe hier.“ Und er meinte es ernst.
Jede*r braucht einen Daniel.
Daniel war der erste Mensch, der mir zeigte: Du bist liebenswert – mit allem, trotz allem. Irgendwann glaubte ich ihm das. Unsere gemeinsame Reise geht bis heute weiter: Wir sind beste Freunde und treffen uns regelmäßig zum Tennis – mittelmäßig, aber mit einem bissigen Ehrgeiz, huldigen wir unserer mittlerweile 15-jährigen Freundschaft.
Weißt Du, was ich daraus lernte, spürte und mir wünsche? Jede*r sollte einen Daniel haben. Einen Menschen, der sagt: „Ich bleibe hier, weil du mir wichtig bist. Und ich gehe auch nicht weg.“ Einen Menschen, der klar Grenzen setzt, aber niemals aufgibt und liebevoll an meiner Seite geht. Jede*r Mensch mit Borderline braucht eine*n unterstützende*n Angehörige*n!
Darum spreche ich über Borderline.
Für Betroffene bin ich ein Daniel, weil ich weiß: Ihr seid wertvoll und könnt alles erreichen – ich glaube an euch! Für Angehörige sage ich: Ihr seid unglaublich wichtig, wir brauchen euch – bitte bleibt! Lasst euch nicht entmutigen, auch wenn es schwierig ist.
Borderline und Beziehungen bedeuten, sich miteinander auseinanderzusetzen, gemeinsam zu streiten, sich zu versöhnen, zu lernen und zu wachsen. Doch genau daraus entstehen die besonders starken und tiefen Beziehungen!
Alles klar? Also dranbleiben! Und im Notfall geht ihr auch auf den Tennisplatz: Aggressionen und Frust lässt man besser am Ball statt an der Person aus! 🎾
Alles Liebe,
Johanna
Deine Borderline-Erfahrungsexpertin für Angehörige
